Aktuelle Lage und Prognose
der wirtschaftlichen Entwicklungen
infolge der Covid-19-Pandemie
Eine Studie der VIA Consult
Mai 2020
Die Covid-19-Pandemie hält die Welt seit Monaten in Atem. Um die Infektionsketten zu unter-brechen, hat der Bund die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland stark eingebremst. Der „Shutdown“ – die komplette Stilllegung – wurde für das komplette gesellschaftlich öffentliche Leben und damit insbesondere für die konsum- und freizeitnahen-Branchen regulatorisch auferlegt.
Die Automobilindustrie sah sich durch unterbrochene Lieferketten und in Folge der stark ein-gebrochenen Nachfrage gezwungen in einer konzertierten Aktion die Automobilproduktion für mehrere Wochen lahmzulegen. Ein Szenario, das für Auto-Deutschland nie vorstellbar gewesen wäre: Es wird kein Auto mehr produziert!
Die Covid-19-Pandemie ist damit nicht nur eine humanitäre Krise. Sie hat sich auch zu einer wirtschaftlichen Krise in nicht vorhersehbarem Ausmaß entwickelt.
Mit etwa sechs bis sieben Millionen Arbeitsplätzen in der kompletten deutschen Lieferkette von Stahl, Chemie bis hin zu Ingenieurbüros und Handel stellt die Automobilbranche für Deutschland die wichtigste Schlüsselindustrie dar. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Shutdowns der OEMs zeigen bereits jetzt, dass die Krise in der Realwirtschaft schon heute viel tiefer greift als in der Finanzkrise 2008/2009. Für den PKW-Markt wird europaweit mit einem Rückgang von mehr als 20 Prozent, für den Nfz-Markt von mehr als 30 Prozent gerechnet.
Mit seinen knapp 530 klein- und mittelständischen Zulieferbetriebe ist Südwestfalen die dritt-stärkste Industrieregion Deutschlands. Die Automobilzulieferer und damit die Menschen in der Region sind besonders betroffen von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Ihre Auswirkungen für die Weltwirtschaft, den europäischen und deutschen Raum im Allgemeinen sowie für die Automobilzulieferer in Südwestfalen im Speziellen, sind derzeit seriös nur schwer abzuschätzen. Die führenden Wirtschaftsinstitute und Verbände geben unterschiedlich dramatische Ausblicke auf den wirtschaftlichen Verlauf. Es herrscht Unsicherheit an den Märkten, welchen Verlauf die Krise nehmen wird. Jeder Unternehmer bangt, in welchem Ausmaß die Krise das eigene Unternehmen treffen wird. Mit diesen Fragestellungen ist die VIA Consult tagtäglich beschäftigt.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns mit dieser Studie das Ziel gesetzt, etwas Licht und Planungssicherheit ins Dunkle zu bringen. Mit einem fundierten und systematischen Überblick über die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Wirtschaft, den Arbeitsmarkt und auf die Automobilindustrie im Allgemeinen sowie für die Region Südwestfalen im Speziellen, möchten wir prägnant die Faktenlage im Status Quo aufzeigen.
Wir wagen auch einen Blick in die Zukunft. Mit dieser Arbeit möchten wir den mittelständischen Zulieferern auf Basis einer sauber erarbeiteten Studie Orientierungswerte für die Prognose ihrer zukünftigen Umsatzplanung für die Jahre 2020 und 2021 geben. Aufgrund der Gemengelage an unterschiedlichen Informationen fehlt es bis dato an verbindlichen Aussagen für die zu erwartenden Umsatzeinbrüche in den kommenden Monaten. Dies ist jedoch elementar wichtig, um frühzeitig Maßnahmen ergreifen und somit den Fortbestand des Unternehmens über die Krisenzeit hinweg sichern zu können.
Auf Basis der Entwicklungen im ersten Quartal 2020, den theoretischen Prognosen führender Institute und Verbände sowie auf Grundlage einer Befragung von 23 Automobilzulieferern aus Südwestfalen wagen wir eine Prognose der wirtschaftlichen Entwicklungen auf Monatsebene für die Automobilzulieferer in Südwestfalen.
Wir hoffen sehr, dass Sie mit diesem Beitrag einen guten Überblick über die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie für die Wirtschaft im Allgemeinen sowie für Südwestfalen im Speziellen bekommen. Darüber hinaus haben wir es uns zum Ziel gemacht, Ihnen mit unserer Prognose der zu erwartenden Umsatzrückgänge für die Jahre 2020 und 2021 eine Grundlage für Ihre individuelle Geschäftsplanung und strategische Weiterentwicklung zu geben. Denn eines ist sicher: In Zeiten von Unsicherheit ist eine solide Geschäftsplanung der Grundbaustein für alle unternehmerischen Entscheidungen.
Wir freuen uns, mit Ihnen in den Austausch zu treten!

DIPL.-ING. WERNER SCHMIDT
Geschäftsführer
Prognose der wirtschaftlichen Entwicklungen infolge der Covid-19-Pandemie
Die Covid-19-Pandemie lähmt die Wirtschaft weltweit in einer einzigartigen und nie dagewesenen Art und Intensität. Gesellschaftliche Veränderungen werden in einer Geschwindigkeit herbeigeführt, die niemand für möglich gehalten hat. Produktionen stehen still, Regeln und Maßnahmen stellen die Gesellschaft vor neuartige Herausforderungen.
Die Automobilbranche trifft es im Industrievergleich besonders hart: Der Fahrzeugbau hat bereits den größten Einbruch seiner Geschichte durch Covid-19 erlitten. Fehlende Nachfragen und ausbleibende Aufträge stellen die Automobilhersteller und -zulieferer vor eine große Unsicherheit über den Zeitpunkt und die Intensität des Wiederhochlaufes.
In unserer Studie können wir auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und einer Befragung von 23 mittelständischen Automobilzulieferern aus Südwestfalen die folgenden Feststellungen treffen:
- Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang in Höhe von durchschnittlich 25-30 Prozent im Vergleich zu den Planumsätzen auf der Basis des Geschäftsjahres 2019 zu rechnen ist.
- Wir rechnen damit, dass im Jahr 2021 ein durchschnittlicher Umsatzrückgang in Höhe von ca. 10-15 Prozent gegenüber der Planung auf der Basis des Geschäftsjahres 2019 eintreten wird.
Es ist zu beachten, dass diese Umsatzentwicklung nur dann eintreten wird, wenn die Nachfrage nach Automobilen, sowohl für PKW als auch für Nutzfahrzeuge, durch staatliche Kaufanreize kurzfristig angekurbelt wird. - Aufgrund der großen Hebelwirkung der Automobilbranche ist für die gesamte deutsche Wirtschaft und insbesondere für die Region Südwestfalen ein schneller und nachhaltiger Hochlauf der Automobilbranche von elementarer Bedeutung. Hierzu ist seitens der Politik die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen in dieser unsicheren Zeit ein absolut notwendiger Faktor.
Wir unterstützen daher die im Anhang zu diesem Papier dargestellten Prämissen des VDA für die Ausgestaltung einer Neustart-Strategie.
2.1. Wirtschaft
Die weltweite Wirtschaft ist durch die Covid-19-Pandemie zum Erliegen gekommen. Der Ausgangspunkt der Pandemie liegt in der Republik China Ende 2019, in der Provinz Wuhan. Die Folgen der Pandemie wirkten sich zunächst nur auf die chinesische Wirtschaft aus. Deren wirtschaftliche Leistung schrumpfte im Januar 2020 um 0,4 Prozent auf 5,6 Prozent. Das ist das niedrigste Wirtschaftswachstum für China seit 1990. China ist einer der größten Märkte in der Weltwirtschaft, da es fast ein Fünftel des globalen Outputs ausmacht.
Es war abzusehen, dass die Pandemie von der stark vernetzten Republik schnell nach Europa und Amerika gelangen und weltweite Auswirkungen auf die Wirtschaft mit sich bringen wird.
Seit Monaten sind auch die Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute durch Unsicherheit und mehrfache Korrekturen über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus geprägt. So beispielsweise die Wachstumsprognosen des IWF: Im Vergleich zum Januar wurde das Wachstum der Weltwirtschaft für 2020 um 6,3 Punkte auf drei Prozent reduziert. Gemessen am welt-weiten BIP 2019 von 86,6 Billionen US-Dollar ist das ein Verlust von 25,8 Billionen US-Dollar. (6) Der IWF erwartet eine der größten weltweiten Rezessionen seit der Weltwirtschaftskrise in 1930. Eine Verbesserung der Situation aufgrund der negativen Dynamik von Covid-19 hänge von der Dauer der aktuell verordneten Maßnahmen ab. Die Effekte würden sich erst zum Ende des Jahres zeigen, so der IWF.
Neben dem IWF spricht auch die OECD von einer weltweiten Rezession, die im Vergleich zur Finanzkrise von erheblicherem Ausmaß sein wird. Die Zahlen zeigen, dass vor allem die USA stark betroffen sind: 30 Millionen Anträge für staatliche Unterstützung sind seit März 2020 registriert worden.
Die Europäische Union prognostiziert bei dem Versuch das Ausmaß der Krise zu beziffern, für die 27 Mitgliedsstaaten ein Minus von 7,5 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt für 2020. Für 2021 wird mit einem Wachstum von 6 Prozent gerechnet, sofern die aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus führen. Das ergibt bis 2021 eine negative Entwicklung des Saldos.
Demzufolge trifft die Covid-19-Pandemie Deutschland, als drittgrößtes Export-Land weltweit, mit einem Exportumsatz 2019 von 1.489,16 Milliarden US-Dollar besonders stark. Alleine die Exporte im März 2020 sind um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Zum Vormonat Februar 2020 sind die Exporte um 11,8 Prozent zurückgegangen. Das ist der größte Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen im August 1990.
Ähnliche Auswirkungen spiegelt auch der ifo Geschäftsklimaindex wieder, der im April von 85,6 auf den niedrigsten Wert von 74,3 Punkten abgestürzt ist.
Die folgende Grafik zeigt mit den verschiedenen Prognosen von führenden Instituten und Experten die Prognosen des Rückgangs des BIP-Wachstums in Deutschland auf (Abbildung 1).
Abbildung 1: Prognosen des Wirtschaftswachstumes in Deutschland für 2020.
Das IfW in Kiel geht mit minus 8,7 Prozent vom stärksten Rückgang aus. In diesem Szenario wird angenommen, dass die Erholung der Wirtschaft erst im August wiedereinsetzen wird.
Das Münchner ifo Institut rechnet mit einem Rückgang um bis zu 6 Prozent, sofern weitere Maßnahmen zur Bekämpfung eingeleitet und die Produktionen entgegen der Prognosen über einen längeren Zeitraum ausfällt.
Ausgehend von einem optimistischeren Szenario, dass sich die wirtschaftliche Lage im Sommer normalisiert, hält der Sachverständigenrat einen BIP-Rückgang von 2,8 Prozent für wahrscheinlich. Sollten die Maßnahmen länger anhalten, könnte der Rückgang bis zu 5,4 Prozent betragen.
Das RWI Essen und DIW Berlin schätzen die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das BIP am geringsten ein. Dabei wird der Verlauf von Covid-19 verglichen mit vergangenen Virusausbreitungen wie der Schweinegrippe, SARS oder der Vogelgrippe.
Mit einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau, da sind sich alle Institute einig, ist aber erst ab Ende 2021 zu rechnen. In einer gemeinschaftlichen Diagnose (Abbildung 2) aller Institute wird davon ausgegangen, dass die Wirtschaftsleistung in 2020 um 4,2 Prozent sinkt. Für das Jahr 2021 wird prognostiziert, dass sich die Wirtschaft erholt und um 5,8 Prozent steigt.
Abbildung 2: Gemeinschaftsdiagnose
Analysen vergangener Krisen, die nur bedingt vergleichbar sind, zeigen somit, dass eine V-förmige Entwicklung in Deutschland nicht zu sehen ist. In der Finanzkrise 2008/2009 wurde erst neun Quartale nach dem Tiefpunkt das Vorkrisenniveau erreicht. Aktuell deutet somit alles auf U-förmige Erholung hin.
Am stärksten betroffen sind in Deutschland die Geschäfte der Reisebüros und -veranstalter (minus 84 Prozent), die Luftfahrtbranche (minus 76 Prozent), das Gastgewerbe (minus 68 Prozent), das Gesundheitswesen (minus 45 Prozent), Kunst, Unterhaltung und Erholung (minus 43 Prozent) sowie der Fahrzeugbau (minus 41 Prozent).
Im Industriebereich hat der Kfz-Bau den größten Einbruch erlitten (Abbildung 3).
2.2 Arbeitsmarkt
Die Folgen der Covid-19-Pandemie haben nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen für die Unternehmen, sondern wirken sich infolge auch auf den weltweiten Arbeitslosenmarkt aus. Waren Staaten wie die USA noch Anfang des Jahres auf dem niedrigsten Arbeitslosenniveau aller Zeiten, steigen die Zahlen aktuell von Tag zu Tag. In den USA haben alleine im April 20 Millionen Menschen ihren Job verloren. Hier liegt die Quote bei 14,7 Prozent. Der höchste Wert seit dem zweiten Weltkrieg.
Eine Prognose von Experten der ILO schätzen den Anstieg der Arbeitslosenzahlen für drei unterschiedlichen Szenarien (Abbildung 4). Bei allen drei Szenarien in Bezug auf das BIP-Wachstum, ist eine signifikante Steigerung der Arbeitslosenzahl zu erkennen. Im schlimmsten Fall wird mit einer Zunahme von 25 Millionen Arbeitslosen aufgrund der Covid-19-Pandemie gerechnet. Während der globalen Finanzkrise gab es eine Steigerung von 22 Millionen Menschen ohne Arbeit.
Abbildung 4: Prognose zum Anstieg der weltweiten Zahl der Arbeitslosen durch die Covid-19-Krise
In der Republik China, die zuerst von der Covid-19 Pandemie betroffen war, stieg die Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent im Februar. Dies ist ein Anstieg von 0,9 Prozent gegenüber dem Vormonat. Es ist anzumerken, dass dieser Wert vermutlich noch höher sein wird, da China die 293 Millionen Wanderarbeiter, die einen großen Teil der Erwerbstätigen ausmacht, nicht in die Statistiken aufnimmt.
Auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt macht sich die Covid-19 Pandemie deutlich bemerkbar. Im April, ein Monat, in dem die Arbeitslosigkeit saisonbedingt normalerweise sinkt, ist die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung erstmals gestiegen (Abbildung 5).
Abbildung 5: Monatliche Arbeitslosenzahl in Deutschland
Von März auf April ist die Arbeitslosenzahl in Deutschland um 308.000 auf 2.644.000 Personen gestiegen. Das ist ein Anstieg von zwölf Prozent innerhalb eines Monats. In Summe ist die Arbeitslosenquote somit auf 5,8 Prozent angewachsen.
Die Anzeigen für Kurzarbeit umfassten in Deutschland Ende April mehr als zehn Millionen Erwerbstätige. Zum Vergleich: in der weltweiten Finanzkrise 2009 waren es in der Spitze 1,44 Millionen Anträge und über das gesamte Jahr waren 3,3 Millionen Million Erwerbstätige von Kurzarbeit betroffen.
Alleine von März bis zum 26. April sind in Deutschland 751.000 Anzeigen für Kurzarbeit erfasst worden. Das schlägt sich auch auf die Arbeitskräftenachfrage aus. Im April wurden 169.000 Stellen weniger nachgefragt als vor einem Jahr.
Dieses Bild spiegelt auch der Kreis Olpe wider. Unternehmen aus nahezu allen Branchen ha-ben auf das Instrument der Kurzarbeit zurückgegriffen. Insgesamt sind 1.401 Anzeigen seit Anfang März bis zum 26. April für konjunkturelles Kurzarbeitergeld eingegangen. Damit sind 30.101 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen betroffen – der bisherige Rekord. 2008/2009 wurden im gesamten Agenturbezirk Siegen, mit inbegriffen der Kreis Siegen-Wittgenstein und der Kreis Olpe, 1.200 Anzeigen mit 39.000 Beschäftigten registriert. Zum jetzigen Zeitpunkt sind alleine im Bezirk Olpe 3.918 Anzeigen für 74.235 Beschäftigte eingegangen. Das macht circa 40 Prozent aller Arbeitsplätze aus.
Die Auswirkungen der Pandemie machen sich auch bei den Arbeitslosenzahlen bemerkbar. Im April stieg der Anteil um 15 Prozent gegenüber dem Vormonat an. Das sind 422 Personen. Im Vergleich zum April 2019 ist die Anzahl sogar auf 718 Personen, oder um 28,5 Prozent, gestiegen. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote bei 4,4 Prozent im Bezirk Olpe (Tabelle 1).
Tabelle 1: Arbeitslosenquote der Bezirke
Der Bezirk Olpe liegt somit immer noch unter der Quote von NRW. Die negativen Rekordzahlen aus den Jahren 2005 und 2009 sind auf das Land NRW bezogen somit noch weit entfernt. Grund dafür ist zum einen der zehnjährige Aufschwung der Wirtschaft, der vielen Unternehmen ein „Polster“ ermöglicht hat, und zum anderen zeigt sich hierin die Wirksamkeit des Instrumentes der Kurzarbeit.
Jedoch geht die Agentur für Arbeit davon aus, dass die Zahlen in Zukunft steigen werden. Es ist zu bedenken, dass die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt verzögert eintreten. So ist davon auszugehen, dass in den aktuellen Statistiken nur wenige Arbeitnehmer und Arbeiternehme-rinnen aus Industriebetrieben berücksichtigt sind, da diese später von dem wirtschaftlichen Rückgang betroffen sein werden.
2.3. Automobilwirtschaft
Die internationale Automobilbranche ist schwerwiegend von der Pandemie betroffen. Im März und April gab es deutliche Rückgänge auf allen Absatzmärkten. Aufgrund von Schließungen des Autohandels, eingeschränkter Tätigkeiten der Zulassungsbehörden und der verringerten Nachfrage sind weltweit deutliche Rückgänge gemessen an den Neuzulassungen, sowohl für PKW als auch für Nutzfahrzeuge, zu verzeichnen. Das Center of Automotive Management schätzt den Einbruch in der Branche weltweit auf 17 Prozent. Eine Normalisierung des Marktes ist bei weitem noch nicht abzusehen. Der Auftragseingang in der KW 18 lag zwischen 59 und 78 Prozent unter den Vorjahreswerten. Betrachtet man den Bereich der Nutzfahrzeuge welt-weit wird deutlich, wie groß die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die gesamte Branche sind (Tabelle 2).
Tabelle 2: Prognose der Neuzulassungen für 2020
In China wird die Anzahl der Zulassung von PKWs auf 18,9 Millionen und damit auf zehn Prozent weniger als ursprünglich geplant, geschätzt. Deutschland liegt bei minus 20 Prozent und die USA, als weiterer großer Markt, bei minus 18 Prozent. Im Bereich der Nutzfahrzeuge über 6t wird davon ausgegangen, dass 2020 23 Prozent weniger Neuzulassungen erfolgen und damit ein Viertel des Gesamtvolumens verloren geht.
Diese Auswirkungen haben starken Einfluss auf die deutsche Automobilbranche. Diese erwirtschaftete 2019 mit 832.800 Beschäftigten 436 Milliarden Euro Umsatz. Mit Forschungsaufgaben von jährlich 45 Milliarden Euro, die deutlich über denen der Branchen Elektrotechnik, Maschinenbau und Chemie liegen, wird die Bedeutung der Branche und die der Zulieferer für Deutschland deutlich.
Der Umsatz der deutschen Automobilzulieferer ist im Zeitraum von 2013 bis 2019 kontinuier-lich gewachsen. 2013 waren es laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) 69,9 Milliarden Euro Umsatz. Im Jahr 2019 konnte die Zulieferindustrie einen Umsatz von circa 80 Milliarden Euro erzielen. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Inlandsumsatz daher um 8,9 Prozent gesunken, dahingegen sind die Exporterlöse um 1,3 Prozent gestiegen. Zulieferer wie z.B. Bosch, Continental und Zahnradfabrik Friedrichshafen sind mit 33 bis 47 Milliarden Euro die umsatzstärksten Unternehmen in der Branche.16 Auch die mittelständischen Zulieferer konnten ihren Umsatz im Jahr 2019 steigern. Dies ist ein Indikator für die Leistungsfähigkeit dieser Industrie, denn 70 Prozent der deutschen Automobilzulieferer gehören zum Mittelstand.
Insgesamt beschäftigten die deutschen Zulieferer im Jahr 2019 ca. 301.000 Mitarbeiter. Durch den Covid-19 bedingten Stillstand der Produktion der OEMs sahen sich auch viele Zulieferer zu einem (teilweisen) Shutdown gezwungen. Bereits im ersten Quartal 2020 sind Umsatzverluste in Höhe von minus 20 Prozent zu verzeichnen. Dies ist insoweit bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Covid-19 erst im März nach Deutschland kam. Autohändler in Deutschland verzeichneten im März und April 2020 etwa 80 Prozent weniger Aufträge als in den Vorjahren. Die Dramatik wird deutlich, wenn man bedenkt, dass im Frühjahr normalerweise die meisten Autos verkauft werden. Kostet ein Auto auf dem Hof eines Händlers am Tag 28 Euro, ergibt das bei einem mittelgroßen Händler mit einem Autobestand von 300 Stück Kosten im Monat von 200.000 – 300.000 Euro.
Auch für die vielen Zulieferer in Südwestfalen bedeutet dies, dass von den geplanten 5,2 Millionen Autos, die in 2020 gebaut werden sollten, nur 3,4 bis 3,8 Millionen realisiert werden. Das ist die niedrigste Inlandsproduktion seit dem Jahr 2000.
2.4. Bedeutung der Automobilzulieferer in Südwestfalen
Südwestfalen wurde als einheitlich-vereinte Industrieregion erst 2007 aus den fünf Landkreisen Soest, Olpe, Siegen-Wittgenstein, Märkischer Kreis und Hochsauerlandkreis aus der Taufe gehoben. Mehr als 150 Weltmarktführer sind in dieser Region ansässig. Betrachtet man die Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter im produzierenden Gewerbe, ist Südwestfalen drittstärkste Industrieregion Deutschlands und stärkste Industrieregion in Nordrhein-Westfalen. Wichtige Branchen sind die Automotive-Industrie, der Metall- und Maschinenbau, die Gebäudetechnik und die Gesundheitswirtschaft.
Südwestfalen gehört zu den bedeutendsten Automotive-Zuliefer-Regionen Deutschlands und zählt neben dem Bergischen Land zu den wichtigsten, historisch gewachsenen Zentren für die Metallverarbeitung.19 Mittelständische Unternehmen dominieren die Automotive-Industrie dieser Region. In einer erhobenen Studie der Industrie und Handelskammern (IHK) Arnsberg, Hagen und Siegen gaben 81 Prozent der 530 befragten Unternehmen an, weniger als 250 Mitarbeiter zu beschäftigen und die Hälfte dieser Unternehmen hatte weniger als 100 Mitarbeiter. Zu den Automotive-Unternehmen werden in Südwestfalen Zulieferer für die Auto- mobil, -Bahn-, Luft- und Raumfahrt sowie den Schiffs- und den Sonderfahrzeugbau gezählt. Ungefähr die Hälfte der ca. 530 Zulieferunternehmen in Südwestfalen sind der Kraftfahrzeugindustrie bzw. Automobilindustrie zuzuordnen und stellen somit das mit Abstand größte Segment dar.20 Darauf folgen Bahn- sowie Luft- und Raumfahrtindustrie, die jeweils nur einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz aufweisen. Bei der zugrundeliegenden Studie der IHKs gaben 260 der 530 Unternehmen die Anzahl der Mitarbeiter sowie Umsatzzahlen an. Die Mit-arbeiterzahlen belaufen sich nach Hochrechnung der IHKs auf mindestens 52.000 Beschäftigte. Der erzielte Umsatz aller Unternehmen beziffert sich auf ca. 9 Milliarden Euro. Vergleicht man diesen mit dem Gesamtumsatz deutscher Automobilzulieferer im Jahr 2019 in Höhe von ca. 80 Milliarden Euro, beträgt der Anteil der südwestfälischen Unternehmen an dem Gesamtvolumen etwa 12 Prozent. Die (wirtschaftliche) Bedeutung der (Automobil-) Zulieferunter-nehmen in Südwestfalen wird durch diese Zahlen unterstrichen.
Die Automobilzulieferer in Südwestfalen lassen sich strukturell wie folgt auf die unterschiedlichsten Lieferebenen aufteilen (Abbildung 6)
Abbildung 6: Zulieferpyramide der Automobilindustrie
Ca. 50 Prozent der Automobilzulieferer aus Südwestfalen lassen sich den Komponentenlieferanten zuordnen und machen somit den anzahlmäßig größten Teil der heimischen Automobilzulieferindustrie aus. Zu den Systemlieferanten zählen ca. 33 Prozent der Unternehmen und gelten so als 2nd-Tier in der Lieferkette. Mit einer direkten Anbindung an die OEMs zählen ca. 17 Prozent der Unternehmen der südwestfälischen Automobilzulieferindustrie zu 1st-Tiers und beliefern die Automobilhersteller mit umfassenden Systemen und Modulen.
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, wie stark die Automobilzulieferindustrie in Südwestfalen in der globalen Lieferkette der Automobilindustrie verankert ist. Der Einbruch der Produktionszahlen der deutschen OEMs wirkt sich folglich eins-zu-eins auf die hier ansässigen Unternehmen und Beschäftigten aus.
3.1. Ausgangssituation
Die Krise in der Realwirtschaft ist schon heute viel tiefer, als sie das in der Finanzkrise war. In solchen Krisen-Phasen ist es umso wichtiger, dass sich frühzeitig mit den mittelfristigen Erwartungen auseinandergesetzt wird und darauf basierend eine Einschätzung der Bedeutung für das eigene Unternehmen vorgenommen werden kann. Jedoch werden derzeit viele Informationen von Wirtschaftsinstituten und Verbänden bereitgestellt, die eine Einschätzung der Lage erschweren. Kaum ein Institut oder ein Verband gibt detaillierte Aussagen zu den mittelfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die zu erwartenden Umsätze in der Automobilzuliefererindustrie.
Es stellt sich die Frage, welchen Verlauf wird die Krise nehmen? Wird es ein V-, U- oder L-Verlauf?
Folgende Einschätzungen stellen eine wichtige Orientierung für unsere Prognosen dar (Abbildung 7)
- Die OEMs planen mit einem Rückgang in der PKW-Produktion von 20 Prozent für 2020
- Über alle OEMs weltweit wird mit einem Rückgang des PKW-Absatzes in 2020 von durchschnittlich 28 Prozent geplant.
Abbildung 7: Weltweiter Pkw-Absatz 202022
- Im Nutzfahrzeugbereich wird derzeit von einer durchschnittlich rückläufigen Entwicklung in der Größenordnung von 30 Prozent ausgegangen.
- In Deutschland arbeiten nach Einschätzung der IG Metall derzeit nur 10 Prozent der Betriebe der M+E-Industrie annähernd normal. Die übrigen 90 Prozent arbeiten in Kurzarbeit mit unterschiedlich starker Ausprägung. Dazu gehören auch die 40 Prozent der Betriebe, die zurzeit komplett stehen.
- Derzeit muss man davon ausgehen, dass ca. 10 Prozent der Betriebe schon ein deutlich erhöhtes Insolvenzrisiko aufweisen.
3.2. Methodische Vorgehensweise
Auf Basis der vorangegangenen Erkenntnisse wurden mit dem Ziel, eine Prognose der Umsatzerwartungen für die Automobilzulieferer in Südwestfalen abzuleiten, in einer qualitativen Studie mit einer iterativen Vorgehensweise die Erkenntnisse und Prognosen der führenden Wirtschaftsinstitute und Verbände mit den individuellen Erfahrungen und Einschätzungen von 23 mittelständischen Unternehmen der Region Südwestfalen abgeglichen und analysiert.
Hierfür wurde in einem ersten Schritt im Zeitraum vom 01.01.2020 (rückwirkend) bis zum 11.05.2020 im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche eine umfangreiche Datenbank aufgebaut. Die der Studie zugrunde liegende Datenbank beinhaltet Informationen zu den folgenden Aspekten:
- Umsatzverlauf / Auftragsbestand für Automobilhersteller und -zulieferer
- Konjunkturelle Entwicklung und Prognosen für den Weltmarkt, Europa, Deutschland und die Automobilindustrie
- Arbeitsmarktzahlen und Prognosen für die Welt, Deutschland und Südwestfalen
Von Interesse waren Studien, Zeitungsartikel und Berichte der folgenden Medien:
- Handelsblatt
- Wirtschaftswoche
- Süddeutsche Zeitung
- Westfalenpost
- Siegener Zeitung
- Lokalplus
- ARD-/ZDF-Tagesschau / Tagesthemen und WDR-Regionalfernsehen
- Informationen von Wirtschaftsverbänden (IWF, ifo Institut), des Sachverständigenrats
- Informationen der führenden Verbände für die Automobilzuliefererindustrie (VDA, WSM, IBU)
- Indices von führenden Instituten der Automobilindustrie (IHS, LMC) sowie Studien weiterer Unternehmensberatungen (Staufen, Merritt, …)
In einem zweiten Schritt wurden, parallel zu der systematischen Literaturrecherche und -analyse, im Zeitraum von Ende Februar bis Mai 2020 23 mittelständische Automobilzulieferer der Region Südwestfalen in Bezug auf den wirtschaftlichen Verlauf im ersten Quartal 2020 befragt, sowie auf ihre persönliche Planungsprognose der Quartale zwei bis vier und des Jahres 2021 hin untersucht. Grundlage für die Einschätzung bildet jeweils die befürchtete Umsatzabweichung im Vergleich zu den Planungsprognosen der Jahre 2020 und 2021.
Als Ansprechpartner standen uns die Geschäftsführer und z.T. auch Leiter der Finanzabteilungen zur Verfügung.
Unter Berücksichtigung der besonderen strukturellen Merkmale der mittelständischen Automobilzulieferer sowie unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Positionierung der befragten Unternehmen in der Wertschöpfungskette, wurden in einem dritten Schritt die Erkenntnisse aus den empirischen Befragungen mit den theoretischen Grundlageninformationen zusammengeführt. Überschneidungen und Abweichungen in den prognostizierten Umsatzabweichungen wurden analysiert. Ziel war es, die Erkenntnisse so zu abstrahieren, dass sie für den typischen mittelständischen Automobilzulieferer in der Wertschöpfungsstufe 2nd/3rd Tier (siehe Ausführungen in Kapitel 3.4) eine größtmögliche Aussagekraft haben.
Auf Grundlage eines iterativen Abgleichs von theoretischen Erkenntnissen einerseits und empirischen Aussagen andererseits, wurden schließlich die Ist-Umsätze und die prognostizierten Umsatzabweichungen auf Monatsbasis für den Zeitraum von Januar 2020 bis Dezember 2021 heruntergebrochen. Es wurde hierbei jeweils die Spanne zwischen den Minimal- und Maximal-Abweichungen abgetragen. Das gemeinsame Mittel aus den Prognosen der Wirtschaftsinstitute, den Verbänden und den individuellen Einschätzungen der Automobilzulieferer in Südwestfalen manifestieren sich in den monatlichen Durchschnittswerten.
Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse davon ausgehen, dass kurzfristig vom Bund ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie eingerichtet und somit der Wiederanlauf stimuliert wird.
Diese gemittelten Umsatzrückgänge stellen eine generalisierte Grundlage für die Einschätzung der Umsatzzahlen der Monate 2020 und 2021 dar. Die ermittelten Umsatzprognosen sind somit indikative Werte, die jedoch als Orientierung für die individuelle Geschäftsplanung Verwendung finden können.
Es wird kein Anspruch auf Korrektheit oder den Eintritt dieser Entwicklungen erhoben.
3.3. Prognose 2020
8: Prognose über die Entwicklung der Umsatzerlöse für das Jahr 2020
Die Grafik der prognostizierten Umsatzerlöse für das Jahr 2020 zeigt einen leicht verdrehten L-Verlauf (Abbildung 8) Charakteristisch für diesen Verlauf ist der starke Absturz im März, aufgrund der Wucht des Shutdowns bzw. der Stilllegung der Bänder der OEMs, die die Wirtschaft stillgelegt haben. Während in den Monaten Januar und Februar die Planumsätze noch überwiegend erreicht wurden, so kam es im März aufgrund der sich ausbreitenden Pandemie zu ersten Einbußen. Im April stürzten die geplanten Umsätze im Durchschnitt um 70 Prozent-Punkte auf etwa auf 30 Prozent ein, da Produktionen stillstanden, die Nachfrage sank und einschränkende Maßnahmen der Politik zur Eindämmung des Virus umgesetzt werden mussten. Wir erwarten, dass der April der Monat mit den stärksten Einbußen ist. Hierfür spricht, dass die Lockerungen der Maßnahmen in den letzten Wochen die angekündigten Anläufe der Produktionsstraßen, die Wirtschaft wieder ansteigen lassen.
Von April an rechnen wir mit einem kontinuierlichen, aber moderaten Anstieg der Umsätze und einer Reduzierung der Umsatzeinbrüche im Vergleich zum Plan. Es ist dabei zu beachten, dass die OEMs in den Sommermonaten weiterhin ihre Werksferien planen und somit die Planumsätze „vor Covid-19“ in dieser Zeit ohnehin geringer angesetzt wurden als in den Hochmonaten im Frühjahr/Frühsommer. Von daher müssen die Prognosewerte in Höhe von 55-65 Prozent von den geplanten Umsatzerlösen in den Sommermonaten in ihrer absoluten Höhe relativiert werden.
Es ist somit zu erkennen, dass wir auf Basis unserer Studie die wirtschaftliche Entwicklung optimistischer einschätzen, als es im typischen Muster eines L-Verlaufs anzunehmen ist. Es ist zu beachten, dass dies jedoch nur unter der Bedingung eintritt, dass eine kontinuierliche Normalisierung stattfindet und es zu keinem zweiten Lockdown (zweite Covid-19-Welle) kommt. Bis Ende des Jahres könnten somit 85 Prozent des geplanten Umsatzes im Monat wieder erzielt werden.
Für das ganze Jahr rechnen wir also mit einem durchschnittlichen Umsatzverlust in Höhe von 25-30 Prozent bezogen auf die Planumsätze für das Jahr 2020!
3.4. Prognose 2021
Die Covid-19-Pandemie wird, da sind sich alle Wirtschaftsinstitute einig, auch im Jahr 2021 noch spürbare Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Folglich ist auch zu Beginn des Jahres 2021 nicht mit den vollen Umsatzeingängen wie geplant, zu rechnen. Die folgende Grafik zeigt die prognostizierten Umsatzverläufe für das Jahr 2021 (Abbildung 9)
9: Prognose über die Entwicklung der Umsatzerlöse für das Jahr 2021
Die Grafik zeigt für 2021 eine zunehmende Erholung der Wirtschaft auf einem deutlich höherem Umsatzniveau – in der Annahme, dass das Virus unter Kontrolle bleibt und kein zweiter Shutdown aufgrund einer erhöhten Infektionswelle eintritt. Es wird deutlich, dass das Vorkrisenniveau frühestens Mitte/Ende 2021 erreicht wird. Damit decken sich unsere Prognosen mit den Aussagen vieler Experten der Wirtschaft. Maßgeblich für diesen langwierigen Verlauf ist, dass die getroffenen Maßnahmen tiefgreifende Auswirkungen auf die Wirtschaft nehmen, die einen langfristigen Effekt haben. Hier ist zum einen der komplette Stillstand der Automobilproduktion zu nennen, die bereits eingetretene Zurückhaltung in der Automobilnachfrage durch die Endverbraucher sowie die Maßnahmen für die Einhaltung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen in der Produktion, die sich auf die Produktivität auswirken. Dennoch ist zu betonen, dass ein Wiederhochlauf der Produktion dieser Zeitachse nur dann erfolgen kann, wenn die Nachfrage durch staatlich getriebene Subventionsmaßnahmen angekurbelt wird.
3.5. Einschätzung der Umsatzentwicklung für mittelständische Automobilzulieferer der VIA Consult
Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass davon auszugehen ist, dass im Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang in Höhe von durchschnittlich 25-30 Prozent im Vergleich zu den Planumsätzen zu rechnen ist.
Wir rechnen damit, dass im Jahr 2021 ein durchschnittlicher Umsatzrückgang in Höhe von ca. 10-15 Prozent eintreten wird.
Es ist zu beachten, dass diese Umsatzentwicklung nur dann eintreten wird, wenn die Nach-frage nach Automobilen, sowohl für PKW als auch für Nutzfahrzeuge, durch staatliche Kauf-anreize kurzfristig angekurbelt wird.
Aufgrund der großen Hebelwirkung der Automobilbranche ist für die gesamte deutsche Wirtschaft und insbesondere für die Region Südwestfalen ein schneller und nachhaltiger Hochlauf der Automobilbranche von elementarer Bedeutung. Hierzu ist seitens der Politik die Schaffung von geeigneten Rahmenbedingungen in einer unsicheren Zeit ein absolut notwendiger Faktor. Wir unterstützen daher die im Anhang zu diesem Papier dargestellten Prämissen des VDA für die Ausgestaltung einer Neustart-Strategie.
Wir haben die unmittelbar notwendigen Handlungsfelder definiert, die zwingend erforderlich sind, um den eigenen Gestaltungsspielraum in der Covid-19-Krise möglichst hoch zu halten.
Ausgewählte Unterstützungsleistungen der VIA Consult im Rahmen der unmittelbar notwendigen Handlungsfelder:
1. Sichtung und Auswahl von geeigneten staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Sicherung der Liquidität mit Hilfe von internen Liquiditätsmanagement-Maßnahmen
2. Aufbau einer integrierten Planrechnung, bestehend aus Ergebnis-, Liquiditäts-, Bilanz-, Investitions-, und Kapitalbedarfsrechnung zur Bestimmung einer ganzheitlichen Positionsbestimmung des Unternehmens und zur Identifizierung von Risikopositionen
3. Simulation von Best- und Worst-Case Szenarien und ihre Auswirkungen auf den Handlungsspielraum des Unternehmens und Ableitung von strategischen und operativen Handlungsoptionen
4. Sicherstellung der operativen Handlungsfähigkeit und Umsetzung der erforderlichen Hygiene- und Schutzmaßnahmen
Ahlswede. (2020, Mai 6). Automobilzulieferindustrie Deutschland – Umsatz bis 2019. Abgerufen 14. Mai 2020, von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30701/umfrage/um-satz-in-der-automobilzulieferindustrie-seit-1990/.
Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). (2020, April 8). DIW Berlin: Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2020: Wirtschaft unter Schock – Finanzpolitik hält dagegen [Pressemeldung]. Abgerufen 14. Mai 2020, von https://www.diw.de/de/diw_01.c.758744.de/gemeinschaftsdiagnose_frueh-jahr_2020__wirtschaft_unter_schock_____finanzpolitik_haelt_dagegen.html.
Bain & Company Germany. (2020, April 7).
Bain-Analyse zum weltweiten Pkw-Markt / Corona-Pandemie überrollt Autoindustrie. Abgerufen 15. Mai 2020, von https://www.pressepo-rtal.de/pm/19104/4566237
Berylls Strategy Advisors. (2018). Liste der größten Automobilzulieferer in Deutschland nach Umsatz im Jahr 2018 (in Millionen Euro), Berylls Strategy Advisors. Zugriff am 14.05.2020. Verfügbar unter https://www.berylls.com/wp-content/uplo-ads/2019/06/20190613_Studie_Top_100_2019.pdf.
Heide, D. (2020, April 17). Corona: Chinas Wirtschaft bricht im ersten Quartal um 6,8 Prozent ein. Abgerufen 13. Mai 2020, von https://www.handelsblatt.com/politik/konjunk-tur/nachrichten/konjunktur-chinas-wirtschaft-bricht-ein-coronavirus-beendet-jahrzehn-telanges-wachstum/25748974.html?ticket=ST-2122394-q1VWRBb5ebHHQAvTxfeb-ap3.
International Monetary Fund, (2019). Worl Economic Outlook Database, Washington.
Janson, M. (2020, März 31). So stark könnte die deutsche Wirtschaft schrumpfen. Abgerufen 14. Mai 2020, von https://de.statista.com/infografik/21290/prognosen-zur-veraende-rung-des-bips-im-jahr-2020-gegenueber-dem-vorjahr-nach-instituten/.
Lange, I., Rapp-Frick, H. P. & Gräbener, K. (2015). Die Automotive-Industrie in Südwestfalen. Eine empirische Untersuchung der Industrie- und Handelskammern Arnsberg, Hagen und Siegen.
Pieper, M., Thoennes, M., Liem, J. R. & Olschewski, I. (2014). Strukturstudie. Automotive NRW (Cluster Nordrhein-Westfalen).
Regionen.NRW. (2018, 18. Oktober). Region der Weltmarktführer, Industrieregion und grünes Paradies: Südwestfalen – Alles echt! Zugriff am 18.10.2018. Verfügbar unter http://re-gionen.nrw/regionen-nrw/suedwestfalen/.
Schmucker, C. (2020). Corona-Pandemie und die Folgen für die Weltwirtschaft: Gemeinsame Aktion der G7 ist notwendig. (DGAP Kommentar, 9). Berlin: Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V..
Statistik der Bundesagentur für Arbeit Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt– Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt, Nürnberg, April 2020.
US-Arbeitslosenquote wegen Corona auf 14,7 Prozent gestiegen. (2020a, Mai 8). Abgerufen 13. Mai 2020, von https://www.handelsblatt.com/politik/international/corona-folgen-us-arbeitslosenquote-schnellt-auf-mit-abstand-hoechsten-wert-der-nachkriegs-zeit/25813624.html?ticket=ST-2070128-jFB2TXfrmdLipnuWdXnB-ap3.
Verband der Automobilindustrie. (2020, Mai 4). Kurzzusammenfassung – Covid-19 – Wirtschaftliche Auswirkungen.
Verband der Automobilindustrie. (2020, Mai 5). Positionspapier – Für einen Neustart aus der Krise: Ideen für eine schnelle Wiederbelebung der Kfz-Märkte
Werner, H. & Crone, A. (2008). Operative Sanierung von Automobilzulieferbetrieben. Entstehungsgründe von Krisen und gegensteuernde Maßnahmen. KSI: Krisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung; Wirtschaft, Recht, Steuern, 4.
World Trade Organisation. (2020, April). Exportweltmeister – größte Exportländer weltweit 2018. Abgerufen 13. Mai 2020, von https://de.statista.com/statistik/daten/stu-die/37013/umfrage/ranking-der-top-20-exportlaender-weltweit/.
A.1 Orientierungswerte zur Berechnung der Umsatzprognosen 2020 und 2021
A.2 Umsatzprognose für 2020 und 2021 (Spanne der Minimal- und Maximalwerte)
A.3 VDA Positionspapier – Für einen Neustart aus der Krise
Den vorangegangenen Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Förderung des Wiederhochlaufs der Autoproduktion ein zwingender Bestandteil für den Eintritt der dargestellten Umsatzentwicklung ist.
Dabei sind die nachfolgenden drei Faktoren im Rahmen einer „Neustart-Strategie“ von besonderer Bedeutung bei der Gestaltung von Kaufanreizen:
- Wirkung in der Breite über alle Fahrzeugsegmente hinweg
- Die Produktion muss einheitlich wieder hochgefahren werden. Dafür ist es von besonderer Bedeutung, dass die Nachfrage in allen Fahrzeugsegmenten schnell wieder an-zieht. Selektive Kaufanreize wirken sich durch einen asymmetrischen Hochlauf der Auslastung negativ aus.
- Schnelle Umsetzung
- Langwierige Diskussionen über die Gestaltung möglicher Anreizvarianten führt bei den Nachfragen zu Attentismus. Dies verzögert den Hochlauf weiter und muss daher unbedingt verhindert werden.
- Einfache Anwendung
- Bei der Gestaltung der Anreizvarianten muss der Fokus auf einem Instrument liegen, welches verständlich ist und Akzeptanz findet. Komplizierte Berechnungen und schwer vermittelbare Differenzierungen erzeugen Unsicherheit.
Eine umfassende „Neustart-Strategie“ muss also geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um einen nachhaltigen, wirkungsvollen und schnellen Hochlauf der Automobilindustrie zu bewältigen.
Im Folgenden werden vier Elemente dargestellt, welche den oben aufgezeigten Anforderungen entsprechen:
- Wirkungsvoller Kaufanreiz
- Eine Kaufprämie in Form eines fixen Betrages ist zum Hochlauf äußerst geeignet. Dies zeigen die Erfahrungen aus der Finanzkrise, hier konnte durch Implementierung einer Kaufprämie spürbare Kaufimpulse ausgelöst werden und ein effektiver und schneller Neustart der Branche wurde ermöglicht. Ein ähnliches Instrument in vergleichbarer Höhe wäre demnach auch für den jetzt angestrebten Neustart eine empfehlenswerte Variante. Eine Begrenzung der Kaufprämie würde dafür sorgen, dass die kurzfristige Nachfrage schnell belebt wird. Weitere Impulse in Richtung Umwelt- und Klimaschutz sind durch zusätzliche Bonusmodelle für besonders geeignete Fahrzeugsegmente denkbar. Es ist auch denkbar, dass neben Neuwagen eine mögliche Förderung für Jahreswagen in Betracht gezogen wird.
- Einfache Unterstützung bei der Finanzierung
- Viele Kunden wickeln einen Autokauf in Form einer Finanzierung ab. Hierbei sind attraktive Konditionen von besonderer Bedeutung. Die Autobanken und Leasinggesellschaften sind dabei ein zentraler Faktor, sodass diese in ihrer Leistungsfähigkeit gestärkt werden müssen. Dies kann durch eine Einbeziehung der in das KfW-Garantieprogramm erfolgen, sodass die Stellung von Neustart-Krediten mit attraktiven Konditionen ermöglicht wird.
- Aktive Hilfen für die private Ladeinfrastruktur
- Im Rahmen der bereits bestehenden Maßnahmen wie z. B. der Umweltprämie und den geltenden steuerlichen Instrumenten gibt es schon jetzt wirksame Anreize für elektrifizierte Fahrzeuge. Diese sollen durch die angesprochenen Anreize weiter gestärkt werden. Ein wichtiges Element hierbei ist die Bereitstellung der zwingend benötigten Ladeinfrastruktur. Ca. 80 Prozent aller Ladevorgänge finden im privaten Sektor – zu Hause oder beim Arbeitgeber – statt. Der Aufbau dieser ist daher von besonderer Bedeutung und bedarf intensiver Förderung.
- Klarer Umweltfokus
- Die Verankerung des Klima- und Umweltschutzes ist ein weiterer zentraler Faktor. Hier besteht die Möglichkeit der Orientierung von Förderungen an der Abgasstufe z. B. Euro 6d oder nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) z. B. Effizienzklasse B und besser.
Weiter könnten zusätzliche Prämien z. B. bei der Rückgabe eines Euro 4 und älter sein oder ein Leasingvertrag, bei dem ein Neufahrzeug mit Verbrennungsmotor nach einer bestimmten Zeitspanne gegen ein Elektrofahrzeug (BEV oder PHEV) getauscht wird.
- Die Verankerung des Klima- und Umweltschutzes ist ein weiterer zentraler Faktor. Hier besteht die Möglichkeit der Orientierung von Förderungen an der Abgasstufe z. B. Euro 6d oder nach der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) z. B. Effizienzklasse B und besser.
Anders als der PKW-Markt unterscheidet sich der Markt für Nutzfahrzeuge insbesondere durch die Kaufentscheidung, welche lediglich auf Basis von Rentabilitätsgesichtspunkten getroffen wird. Hier bietet sich die Schaffung eines Anreizes über die Stellung einer Sonder-Afa an. Diese gilt als bewährtes Instrument, um die Nachfrage der deutschen Wirtschaft insgesamt zu stimulieren. Weiter könnten spezifische Anreize für leichte Nutzfahrzeuge Erfolg versprechen. Hier ist die öffentliche Hand ein großer Nachfrager und so könnte beispielsweise die kommunale Fahrzeugflotte erneuert werden.
Eine exklusive Prämie für besonders CO2–arme Fahrzeuge oder Elektrofahrzeuge ist nicht erfolgversprechend. In den letzten Jahren konnten in diesem Bereich bereits nennenswerte Erfolge verzeichnet werden, welche insbesondere durch die geltenden Instrumente gefördert werden. Der hier eingeschlagene Weg sollte erfolgreich fortgeführt und auf konkurrierende Instrumente verzichtet werden. Diese führen zur Verwirrung, ohne einen echten Zusatznutzen zu erbringen.
Autoren

DIPL.-ING. WERNER SCHMIDT
Geschäftsführer

DR. HANNI KOCH
Mitglied Geschäftsleitung,
Consultant

M.SC. SÖREN SCHRÖDER
Junior Consultant

M.SC. MAIK-OLIVER SEIBEL
Junior Consultant
Disclaimer
Trotz sorgfältiger inhaltlicher Kontrolle übernehmen wir keine Haftung für die Richtigkeit der bereitgestellten und zusammengetragenen Informationen und auch nicht für die Inhalte externer Links.
Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich deren Betreiber verantwortlich.